Geliebter Unsichtbarer Excerpt

Im getarnten Zustand ging Aiden außerhalb des Inter Pharma Gebäudes auf und ab. Nachdem er den Ratssaal verlassen hatte, hatte er die Akte mit den Einzelheiten seiner Mission von vorne bis hinten durchgelesen. Als er die letzte Seite erreicht hatte, hatte er sich bereits seine Meinung zu diesem Fall gebildet und insgeheim die Entscheidung des Rates in Frage gestellt. Angesichts der Einzelheiten, die in dem Bericht dargelegt waren, hätte er sich für die Beseitigung dieses Menschen entschieden. Es wäre die sicherste und zuverlässigste Art und Weise gewesen, um sicherzustellen, dass die Dämonen keinen Zugang zu dieser gefährlichen Droge erlangen würden.

Als er jedoch Dr. Cruickshanks Bild, das in einem Umschlag hinten in der Akte gesteckt hatte, herausgezogen hatte, hatte sein Magen sofort einen merkwürdigen Salto gemacht. Er hatte erwartet, dass sie anders war . . . älter . . . und nicht so . . . schön. Aber es war nicht nur ihre Schönheit, die eine körperliche Reaktion in ihm auslöste. Er bemerkte den entschlossenen Blick in ihren Augen, den die Kamera eingefangen hatte. Was er in ihnen sah, zog ihn an: Stärke. Eine menschliche Frau, die stark war. Sie war nicht schwach oder leicht zu beeindrucken und nicht leicht zu verführen. Würde sie stark genug sein, um den Dämonen zu widerstehen, wenn sie sie fanden?

Verärgert über sich selbst, dass ihn ein Bild in seiner Überzeugung schwanken ließ, drehte er sich abrupt um. Wie sie aussah, spielte keine Rolle. Es würde ihn nicht darin beeinflussen, wie er sie behandelte: mit äußerster Professionalität. Genauso wie er alle anderen behandelte. Und sollte es notwendig werden, sie zu töten, würde er nicht zögern.

Aidens Blick wanderte die Straße hinunter. Die Gegend war eine Mischung aus Wohn- und Geschäftshäusern. Die Geschäfte waren schon lange geschlossen, aber ein paar der Restaurants weiter die Straße hinunter hatten noch geöffnet. Einige der Fenster in den umliegenden Bürogebäuden waren erleuchtet, und in den Wohnblocks sah er die Menschen ihrem Leben nachgehen, ihr Abendessen kochen und fernsehen. Er fühlte sich immer wie ein Dieb, wenn er Menschen beobachtete. Doch es war ihm zur zweiten Natur geworden. Alle Hüter der Nacht taten es.

Er war schon immer neugierig gewesen. Schon während seines Trainings hatte er gerne Menschen beobachtet, um zu sehen, wie sie lebten. In vielerlei Hinsicht waren deren Leben so anders als sein eigenes, das aus Pflicht und Dienst bestand. Innerhalb dieser Appartements, zu denen er hinaufschaute, liebten und lebten die Menschen. Sie erzogen Kinder, hatten Karrieren, lachten und weinten miteinander. Und eines Tages starben sie. Eine seltsame Sehnsucht überkam ihn jedes Mal, wenn er an die menschlichen Leben dachte.

Obwohl ihm sein Leben im Komplex der Hüter die gleichen Annehmlichkeiten gewährte, die die Menschen hatten, war das Leben doch ganz anders. Er verbrachte nur sehr wenig Zeit im Komplex, und es war selten, dass alle Bewohner sich dort zur gleichen Zeit aufhielten. Der eine oder andere war immer im Einsatz. Geburtstage wurden nicht gefeiert, genauso wenig wie Weihnachten, Ostern oder andere Feiertage. Ein Tag war wie der andere. Es gab kein Wochenende, wo sie sich entspannten und abschalteten. Dämonen ruhten auch am Samstag und Sonntag nicht, ebenso wenig wie die Hüter der Nacht. Die Gefahr war immer wach. Sie schlief nie.

Aiden riss seinen Blick von der Wohnung weg und musterte die Gegend. Nur wenige Autos fuhren vorbei. Ein Bus hielt am nächsten Block an, und ließ eine Frau mit einem kleinen Kind aussteigen. In der Ferne schloss sich eine Tür und eine andere wurde geöffnet. Ganz normale Geräusche einer Nachbarschaft.

Aber seine Sinne waren nur teilweise beschäftigt und seine Gedanken drifteten zurück zu seinem neuen Schützling Leila. Er würde ihr heute Abend nach Hause folgen und beurteilen, wo sie besonders für einen Angriff der Dämonen anfällig war. Nicht, dass er glaubte, dass sie einen regelrechten Angriff starten würden: Sie wollten das haben, was sie hatte, die Droge. Sie würden eher etwas in ihrem Leben suchen, um einen Handel mit ihr abzuschließen.

Der Klang entfernter Schritte und Stimmen drang zu seinen übernatürlichen Sinnen und brachte ihn dazu, seinen Kopf zurück zu dem Gebäude von Inter Pharma zu wenden. Durch die vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster, die die Lobby umgaben, sah er Leila auf die Tür zugehen, während sie ein paar nette Worte mit dem Nachtwächter austauschte. Das Foto, das er gesehen hatte, wurde ihr nicht gerecht. In Wirklichkeit sah sie noch bezaubernder aus als auf dem Schwarz-Weiß-Bild. Sein Magen verkrampfte sich bei dem Anblick und verabreichte ihm eine instinktive Reaktion, die er im Umgang mit einem Schützling nicht gewohnt war. Sie war so ganz anders als alle anderen, die er jemals hatte beschützen müssen.

Aiden schrieb seine Reaktion der Tatsache zu, dass diese Frau sehr gefährlich war: Wenn die Dämonen sie auf ihre Seite locken konnten, dann würden sie eine brillante Wissenschaftlerin haben, die für sie arbeiten würde. So viel hatte er aus dem Dossier über sie mitbekommen. Wer wusste, was für andere Drogen sie noch erfinden konnte, vielleicht sogar eine, die die Hüter der Nacht machtlos machte? Ja, redete er sich selbst zu, was er in seinem Bauch verspürte, hatte mit dem Wissen zu tun, dass ein brillantes Gehirn in diesem menschlichen Körper steckte, der schließlich den Dämonen erliegen würde. Denn trotz der Stärke, die er in ihren Augen gesehen hatte, würde sie nie stark genug sein, um ihnen zu widerstehen.

Und seine Reaktion auf sie hatte nichts mit der Tatsache zu tun, dass er sie berauschender fand als jegliche Frau, die ihm je begegnet war.

Leila lächelte dem Nachtwächter zu und trat in die frische Nachtluft hinaus. Es war September, aber tagsüber war es bewölkt gewesen, und es war kälter als normal für die Jahreszeit. Sie bog nach links ab und ging den Bürgersteig entlang.

Noch immer in seinem getarnten Zustand folgte Aiden ihr. Er war sich jedoch bewusst, dass, obwohl sein Körper unsichtbar war, sie ihn hören konnte. Sein Atem, seine Schritte, nichts davon konnte durch seine Tarnung verborgen werden. Es war einer der Gründe, warum er und alle Hüter der Nacht spezielle weichbesohlte Schuhe trugen, wenn sie im Einsatz waren. Diese absorbierten den Klang seiner Schritte auf dem Pflaster fast vollständig. Darüber hinaus hatte er gelernt, vorsichtig aufzutreten, so wie eine Katze oder ein Dieb. Wenn er weit genug zurückblieb, dann würde sein Schützling ihn nie bemerken.

Doch er brach das Protokoll und näherte sich, bis er nur einen Schritt hinter ihr war, nahe genug, um sie zu berühren, wenn er das Bedürfnis empfand. Ein schwacher Geruch von Rosen umgab sie. Er war so exquisit, dass er für einen Augenblick vergaß, wozu er hier war.

Sie trug eine kurze Jacke über ihrer Bluse. Ihr köstlicher Hintern war in eine maßgeschneiderte Hose gesteckt und wackelte in einem verlockenden Rhythmus, der jeden Mann weich im Kopf und hart an anderen Stellen werden ließ. Ihr Haar war zu einem engen Pferdeschwanz hochgebunden, und er fragte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, es zu befreien und sein Gesicht darin einzutauchen. In ihrem Duft schwelgen, das Gefühl der seidenen Weichheit ihrer Locken zu spüren, während sie sich unter ihm in Ekstase wand.

Bei dem unerwarteten Gedanken sog er einen tiefen Atemzug in seine Lunge.

Plötzlich drehte Leila sich um. Sie wäre mit ihm zusammengeprallt, wäre er nicht mit der übernatürlichen Geschwindigkeit, über die seine Spezies verfügte, zurückgewichen. Er stand stocksteif da und hielt den Atem an.

Leilas Augen spähten in die Dunkelheit. Anspannung bildete Linien auf ihrer Stirn, und ihre Lippen waren leicht geöffnet. Er bemerkte, wie der Puls an ihrem Hals zuckte. Ihre Hand griff in ihre Umhängetasche, wo sie scheinbar etwas fest in ihre Faust nahm. Ein Messer? Eine Pistole? Aber sie zog es nicht heraus und ihre Augen und ihr Gesicht entspannten sich langsam wieder, als sie sich in der Gegend umsah. Ihre Schultern senkten sich, und sie wandte sich wieder um, um ihren Weg in die gleiche Richtung wie zuvor fortzusetzen.

Erleichtert begann Aiden wieder zu atmen. Er sollte sich besser nicht von Leilas verlockendem Körper ablenken lassen oder Vorfälle wie diese würden immer wieder passieren. Und das nächste Mal würde sie gegen ihn prallen und realisieren, dass etwas nicht stimmte. Er konnte das nicht riskieren, obwohl er wissen wollte, wie sich ihr Körper anfühlte, wenn sie ihn gegen seinen presste und ihre Kurven sich an seine harten Muskeln schmiegten.

Scheiße, warum kam ihm das in den Sinn, anstatt dass er sich auf die Tatsache konzentrierte, dass sie eine Gefahr für die Menschheit darstellte? Er war doch nicht so nach Sex ausgehungert, dass er vergessen sollte, dass sich mit einem Schützling einzulassen nur zu Problemen führte. Er verfügte über wesentlich mehr Beherrschung!

Sein Blick fiel wieder auf die Kurven, die sie so unschuldig zur Schau stellte, ohne auch nur zu wissen, was sie ihm damit antat. Würde sie ihre schwingenden Hüften zügeln, wenn sie wüsste, welche Wirkung ihre Bewegungen auf ihn hatten? Oder würde sie ihn weiterhin mit ihrem sündigen Körper reizen? Denn sie reizte ihn.

Ein Lichtblitz ließ ihn plötzlich seine Augen ruckartig von ihrem Hintern wegreißen. Mit Schrecken sah er ein Auto, das auf die Kreuzung zu donnerte, die sie gerade erreicht hatte. Leila wollte gerade über den Zebrastreifen gehen, der durch ein grünes Signal für sie freigegeben war, und schreckte zurück. Aber ihr Absatz verfing sich in einem Gully.

Aiden sprang nach vorne, packte sie und zerrte sie aus dem Pfad des außer Rand und Band geratenen Fahrzeugs. Sie verloren das Gleichgewicht und stürzten auf den Bürgersteig. Mit Leila in seinen Armen rollte er sich zum Eingang eines Geschäfts. Sein Herz schlug laut in seiner Brust, und sein Instinkt schaltete sich ein und enttarnte ihn im Bruchteil einer Sekunde. Leilas überraschter Aufschrei erstickte in seinem Mantel.

„Sind Sie in Ordnung?“, brachte er hervor, als er seinen Atem wiederfand und versuchte, sich ohne sie loszulassen aufzusetzen.

Dieser Vorfall zählte eindeutig als Notfall, und sich ihr zu zeigen war daher notwendig. Es bedeutete nicht, dass sie erfahren musste, wer er war. Sie würde nie herausfinden müssen, dass er nicht menschlich war, und dass er Kräfte hatte, die sie bis aufs Knochenmark erschrecken würden, wenn sie davon erfuhr. Es war das Beste, wenn sie nie davon erfahren würde, weil er nicht wusste, wie sie auf so eine Offenbarung reagieren würde.

Leila erschien benommen und machte keinen Versuch, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Ihren Körper so nahe zu spüren war berauschend. Sie roch wie eine reife Frucht, die geerntet werden musste. Ihre Kurven waren die perfekte Kombination von Weichheit, die nachgab, und Festigkeit, die ihren Boden stand. Er genoss den kurzen Moment, wohl wissend, dass, wenn sie sich erst einmal erholt hatte, sie ihn wegstoßen würde. Schließlich war er ein Fremder, es war dunkel, und sie waren so gut wie alleine. Ihr Instinkt würde ihr vorschreiben, vorsichtig zu sein, trotz der Tatsache, dass er sie davor gerettet hatte, von einem Auto überfahren zu werden.

Aiden blickte in Richtung der Kreuzung, aber das Auto hatte nicht einmal angehalten. Vermutlich ein Betrunkener. Dennoch konnte er den Gedanken nicht abschütteln, dass dies kein Zufall war. Er hatte schon lange aufgehört, an Zufälle zu glauben.

„Alles ist in Ordnung“, murmelte sie, und drückte ihre Hand gegen ihn, um sich aufzurichten.

Als sie zum Sitzen kam und ihren Kopf heben konnte, musterte sie ihn, so, als ob sie zu beurteilen versuchte, ob er vertrauenswürdig war.

„Danke. Ich habe nicht gesehen wie . . . das Auto über die rote Ampel ist.“

Er nickte. „Ich bin froh, dass ich rechtzeitig da war.“

„Ich habe Sie nicht gesehen“, sagte sie, und ihre Stimme klang zaghaft und misstrauisch, während sie sich etwas mehr von ihm befreite. „Es war niemand hinter mir. Ich hätte Sie sonst gehört.“

Scharfsinniger Mensch. „Ich kam von der Kreuzung da drüben. Die Scheinwerfer des Wagens haben Sie wahrscheinlich geblendet, sodass Sie mich nicht sehen konnten.“

Er erhob sich langsam und streckte eine Hand nach ihr aus.

Leila warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Danke.“ Sie lehnte seine Hand ab, und versuchte aufzustehen, aber in dem Moment, als ihr rechtes Bein den Boden berührte, sackte ihr Knie weg und sie schrie vor Schmerzen auf.

Aiden zögerte nicht und verringerte schnell ihr Körpergewicht, indem er einen Arm um ihre Taille schlang, sodass sie sich an ihn lehnen konnte. Die Wärme, die aus ihrem Körper sickerte und in seinen eindrang, entflammte sofort sein Inneres.

„Stützen Sie sich auf meine Schultern“, forderte er sie auf, als er sich hinkniete. Ihre eleganten Hände gruben sich in seine Schulterblätter.

Er griff nach ihrem Fuß. „Ich werde überprüfen, ob was gebrochen ist, okay?“

„Okay“, flüsterte sie.

Langsam strich er seine Hände über ihren Knöchel und testete dessen Beweglichkeit. Sie zuckte sofort zusammen.

„Autsch!“

„Es tut mir leid. Es wird nur eine Sekunde dauern“, versicherte er ihr, während er seine übernatürlichen Sinne in ihre Haut und bis auf den Knochen eindringen ließ. Der Knochen war intakt. Es gab keinen Bruch, sondern nur eine Verstauchung. Erleichtert atmete er aus. „Es ist nichts gebrochen.“

„Woher wissen Sie das? Sind Sie Arzt?“ Mit Neugierde in ihren Augen sah Leila auf ihn herab.

Aiden setzte ihren Fuß ab und erhob sich, noch immer ihr Gewicht abstützend. „Nein, ich bin kein Arzt. Aber Ihr Knöchel ist nur verstaucht. Sie hatten Glück.“

„Nochmals vielen Dank.“

„Sie sollten sofort etwas Eis drauflegen.“

„Das mache ich, sobald ich zuhause bin.“

„Nein, ich meine sofort. Selbst eine halbe Stunde Verzögerung kann es noch schlimmer machen.“ Er deutete zum Ende des Blocks, wo die Lichter eines irischen Pubs einladend flackerten. „Die haben dort bestimmt etwas Eis.“

Was zum Teufel machte er nur? Er sollte sich nicht mehr als notwendig mir ihr einlassen. Wenn er schlau wäre, würde er sich jetzt verabschieden. Aber anscheinend war sein Verstand heute Nacht mit anderen Dingen beschäftigt. Eins davon war Lust und das andere das unerklärliche Bedürfnis, sie kennenzulernen.

„Das ist nicht nötig. Ich nehme mir ein Taxi nach Hause.“

Er blickte die Straße hinauf und hinunter. „Um diese Zeit finden Sie hier kein Taxi. Wir können von dem Pub aus eins anrufen – nachdem Sie etwas Eis auf den Knöchel gelegt haben.“

Und sich bei Ihrem Retter bedankt haben.

Er konnte sich lebhaft vorstellen, welche Art von Dank er am liebsten hätte: einen Kuss von diesen süßen Lippen. Der Gedanke rüttelte ihn auf. Er hatte noch nie zuvor jegliche Art von Dank von seinen Schützlingen erwartet, egal, wie oft er deren Leben gerettet hatte. Es war seine Pflicht. Keinerlei Bezahlung wurde je erwartet.

„Okay, ich glaube, ich kann so weit gehen“, gab Leila endlich nach.

„Gehen?“ Er schüttelte den Kopf. Nicht, solange er hier war, um zu helfen. „Ich glaube nicht, dass Sie gehen sollten.“

Ihren Protest ignorierend, hob er sie hoch und trug sie auf seinen Armen in Richtung Kneipe.

„Aber . . . “

Als er in ihre meeresblauen Augen blickte, bemerkte er, wie ihre Augenlider plötzlich flatterten. Sie senkte sie schnell. Ihre Wangen färbten sich.

Mit jedem Schritt rieb ihr Körper gegen seinen, und trotz der Kleidung, die sie trennte, spürte er einen Sturm der Erregung durch ihn rasen. Der Kontakt war intensiv und echt, und seine Reaktion reine Folter, wie die Beule in seiner Jeans bezeugen konnte.

Er bemerkte, wie sie seinen Hals und die Muskeln, die unter seinem engen T-shirt anschwollen, studierte. Es schien, als wollte sie ihre Augen nicht heben, um sein Gesicht offen zu begutachten. Nicht, dass er etwas dagegen hätte, von ihr begutachtet zu werden. Verdammt noch mal, es gab nichts, was er sich vorstellen konnte, das er nicht wollte, dass sie es tat.

Mit dem Fuß stieß Aiden die Tür zum Pub auf und war froh, dass es halb leer war. Er ignorierte die neugierigen Blicke der wenigen Gäste, setzte Leila auf eine Bank neben dem Fenster und streckte ihr Bein auf der Bank aus.

„Bleiben Sie hier. Ich besorge etwas Eis“, sagte er und ging zur Theke.

Der Barkeeper blickte zuerst Aiden an, dann sah er an ihm vorbei. „Stimmt etwas nicht?“

„Meine Bekannte hat sich den Knöchel verstaucht. Hätten Sie vielleicht etwas Eis und ein sauberes Geschirrtuch?“, fragte er und legte einen Zwanziger auf den Tresen. „Und zwei Jamesons, ohne Eis.“

„Ja, die Frauen und ihre Absätze“, antwortete er, griff hinter sich nach einem Handtuch und begann, es mit Eis zu füllen.

„Ihre Absätze waren nicht schuld. Ein Auto fuhr über eine rote Ampel und hat sie fast umgefahren.“ Er schauderte, als die Worte aus seinem Mund kamen.

„Verdammte Betrunkene“, zischte der Barkeeper. „Ich sag Ihnen was: Wenn ich sehe, dass einer meiner Stammgäste zu viel hat, dann beschlagnahme ich seine Autoschlüssel. Egal wie sehr er mich verflucht.“ Er reichte Aiden das Handtuch. „Hier. Ich bringe Ihnen die Jamesons zum Tisch.“

„Danke.“

Aiden nahm das mit Eis gefüllte Handtuch entgegen und ging zurück zu seinem Schützling, der sich an die holzgetäfelte Wand gelehnt hatte, das Bein vor sich auf der Bank ausgestreckt. Er setzte sich neben sie.

„Sie werden sich gleich besser fühlen.“

Er rollte das Handtuch zu einem langen Schlauch, schlängelte es um den Knöchel und band es an den Enden zusammen, sodass es an Ort und Stelle verblieb. Als er aufsah, fing er ihren Blick auf.

„Sie haben das schon mal gemacht“, meinte Leila.

Er zwinkerte ihr zu. „Als ich jünger war, ist mir viel passiert.“

Die Kinder der Hüter der Nacht heilten nicht so automatisch wie die erwachsenen Hüter. Sie benötigten dieselbe Art von Pflege wie menschliche Kinder. Allerdings waren sie immun gegen Krankheiten wie Masern und Mumps, aber Knochenbrüche, Schnittwunden und Prellungen hinterließen genauso ihre Spuren wie bei sterblichen Kindern.

„Hier sind Ihre zwei Jamesons, ohne Eis“, kündigte der Barkeeper an und stellte zwei Gläser mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit auf den kleinen Tisch neben ihnen. „Prost.“

Aiden nickte ihm zu. Dann blickte er zu Leila und deutete auf den Whisky. „Um den Schock hinunterzuspülen.“

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